Salons, literarische, seit dem 16. Jahrhundert übliche und bis ins 19. Jahrhundert hinein etablierte regelmäßig stattfindende Zusammenkünfte künstlerisch-literarischer Zirkel auf Einladung einer gebildeten Dame der Gesellschaft. Die ersten Salons dieser Art entstanden in Frankreich. Berühmtheit erlangte der Salon der Marquise Cathérine de Rambouillet, in dem sich zwischen 1613 und 1650 viele der einflussreichsten Männer der Zeit begegneten, darunter François de Malherbe, Armand-Jean Richelieu und Pierre Corneille. Gewisse literarische Formen wie der Brief, das galante Sonett oder die moralische Maxime, aber auch gesellschaftliche Konventionen wie die gebildete Konversation (bon gout) stehen in engem Zusammenhang mit der Salonkultur. Herausragende Bedeutung erlangten die Pariser Salons in der Zeit der Aufklärung. In den Salons der Anne-Thérèse Marquise de Lambert und der Madame Louise Florence Epinay verkehrten u. a. Bernard Le Bovier de Fontenelle, Charles de Montesquieu, Pierre de Marivaux, Jean le Rond d’Alembert, Denis Diderot und Jean-Jacques Rousseau.
Im deutschsprachigen Raum entfaltete sich die Salonkultur erst im ausgehenden 18. Jahrhundert. Zentren waren Weimar mit dem Musenhof der Herzoginwitwe Anna Amalia und dem Salon von Johanna Schopenhauer, Jena mit Karoline Schlegel als Gastgeberin der Frühromantiker, Wien mit dem Salon von Karoline Greiner und ihre Tochter Karoline Pichler sowie (vor allem) Berlin, wo es Damen des emanzipierten jüdischen Großbürgertums gelang, mit ihren Salons Zentren des geselligen und kulturellen Austauschs zu bilden; dazu gehörten Rahel Varnhagen, Henriette Herz und Sara Levy. Im ausgehenden 19. Jahrhundert ersetzten programmatisch ausgerichtete politische und literarische Gesellschaften, Dichterkreise und ähnliche Versammlungen die Salons als Ort geistreicher literarischer Kommunikation.
Verfasst von:
Cornelia Fischer
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EINLEITUNG |
Satire, literarische Form der Kritik an individuellen, gesellschaftlichen oder allgemeinmenschlichen Schwächen, oft in aggressiv-anklägerischer Weise. Die häufigsten Stilmittel der Satire sind die Ironie, die karikierende Überspitzung eines Sachverhalts und die Konstruktion sachfremder Zusammenhänge, in denen Vertrautes absurd erscheint. Die Satire ist stets an ihr soziohistorisches Umfeld gebunden und hat entsprechend immer neue Formen herausgebildet, von denen sich einige, wie die Literatursatire, gleichwohl als langlebig erwiesen haben. Der Begriff ist eine Eindeutschung des lateinischen satura, was ursprünglich so viel wie „Durcheinander" bedeutet, bereits damals aber als literarische Gattungsbezeichnung üblich war.
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ANTIKE |
Im antiken Griechenland bildete die Satire keine nennenswerte Tradition heraus. Zu den wenigen Ausnahmen zählten die Schmähverse des Archilochos aus dem frühen 7. Jahrhundert v. Chr. Die Urform des griechischen satirischen Dramas waren die Komödien des Aristophanes aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Als eigenständige Form wurde die Satire erst von den Römern entwickelt, beginnend mit Gaius Lucilius. Seine 30 satirischen Bücher in Versen enthielten kritisch-ironische Abhandlungen über unterschiedlichste Lebensbereiche. Im 3. Jahrhundert v. Chr. schrieb der griechische Philosoph Menippos seine später so genannten menippeischen Satiren.
Der erste große Satiriker, dessen Werke Bestand hatten und späteren Schriftstellern als Vorbild dienten, war der Dichter Horaz. Er prangerte vorrangig sexuelle Exzesse und ungehobelte Umgangsformen an. Weit aggressiver fielen die 16 Satiren seines Zeitgenossen Juvenal aus, der die Laster der römischen Städter geißelte und ihnen die Ehrenhaftigkeit und Gelassenheit des Landlebens positiv entgegensetzte. Als Stoiker machte er sexuelle Ausschweifung, Betrug, Meineid, Diebstahl, Gefräßigkeit, Verschwendung, Geiz und Kriecherei zu bevorzugten Zielscheiben seiner Angriffe. Zudem verschaffte er sich den Ruf eines rigorosen Frauenfeindes.
Martial, ein Freund Juvenals, war ein Meister des Epigramms. In 15 Büchern legte er eine Sammlung vernichtender Kommentare zu den Lebensumständen im „dekadenten" Rom vor. Martial gilt zudem als Begründer der literarischen Fehde als Mittel der Auseinandersetzung. Ebenfalls aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammt das Satyricon des Petronius Arbiter, in dem die Abenteuer zweier exemplarischer Vertreter der damaligen Gesellschaft geschildert werden. Der berühmteste Teil des nur als Fragment erhaltenen Textes ist das Gastmahl des Trimalchio, bei dem sich der Gastgeber vergeblich müht, aus einer obszönen Unterhaltung ein Gespräch über Philosophie und Literatur zu entwickeln. Um die Satire als spezifisch römische Literaturform zu charakterisieren, formulierte Quintilian den Satz „satura tota nostra est" („Die Satire ist ganz unser"; oder aber: „In der Satire sind wir allen anderen überlegen").
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MITTELALTER |
Viele Formen der mittelalterlichen Literatur waren satirisch geprägt: das Fabliau, die Tierfabeln sowie die Traum-Allegorien vom Typ des Roman de la rose (Rosenroman) aus dem 13. Jahrhundert. In der französischen Allegorie zielt die Satire vornehmlich auf Frauen, Geistliche, Betrüger und die Vertreter einzelner Berufe bzw. Stände. Der englische Autor Geoffrey Chaucer vereinte im 14. Jahrhundert in den Canterbury Tales (Canterbury-Erzählungen) viele zeitgenössische Satireformen, darunter auch die im gesamten Mittelalter bedeutende Ständesatire. Sie richtete sich gegen die typischen Vertreter von Geistlichkeit, Adel und Bürgertum und fand im deutschen Sprachraum u. a. durch Heinrich von Melk und Hugo von Trimberg Verbreitung. Weitere Satiriker des deutschen Mittelalters waren Neidhart und Heinrich Wittenweiler; zum satirischen Forum avancierte das Fastnachtsspiel.
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RENAISSANCE |
In der Renaissance setzte sich allmählich die Prosasatire gegenüber der gereimten Form durch. Als Meister dieser Gattung traten Sebastian Brant, François Rabelais, Erasmus von Rotterdam und der Spanier Miguel de Cervantes Saavedra hervor. Brant machte sich in Das Narrenschiff (1494) über das gesamte Spektrum menschlicher Schwächen lustig. Die in eine Narrendichtung gekleidete Zeitsatire gehörte seinerzeit zu den populärsten Literaturformen, auch das Volksbuch von Till Eulenspiegel (1515) ist ihr zuzurechnen (siehe Till Eulenspiegel). Erasmus wandte in seinem Encomium moriae (1509, Lob der Torheit) den Kunstgriff der verkehrten Perpektive an (gelobt wird das, was insgeheim verurteilt wird). Es war seinerzeit ein außerordentlicher Publikumserfolg und ist aufgrund seiner zeitlos gültigen Aussagen ein noch heute viel gelesenes Werk. Die von Hans Holbein dem Jüngeren stammenden Illustrationen des Originals unterstreichen in eindrucksvollen Bildern die Botschaft des Textes. Rabelais verfocht in seinen Romanen Pantagruel (1532) und Gargantua (1534) humanistische Ideale mit den Mitteln drastischer Komik und eigenwilliger Sprachschöpfungen. Cervantes’ ursprünglich als Satire über die seinerzeit grassierende Manie der Ritterromane begonnener Don Quijote (1605-1615) geriet schließlich zu einem lebendigen Panorama des zeitgenössischen Spanien und vereinte in bislang nicht gekannter Meisterschaft Gesellschafts- und Literatursatire, Abenteuerroman und philosophische Abhandlung.
Im 17. Jahrhundert war die Satire in der englischen Literatur stark präsent, sowohl auf der Bühne in den Stücken Ben Jonsons als auch in den Verssatiren Samuel Butlers (1663-1678, Hudibras) und John Drydens (1681/82, Absalom and Achitophel). In Frankreich brillierte Molière mit noch heute häufig gespielten satirischen Dramen über exemplarische Typen der Gesellschaft: Heuchler (Tartuffe), Parvenüs, betrogene Ehemänner, Frauenhelden und „eingebildete Kranke". Sein Zeitgenosse, der Kritiker Nicolas Boileau-Despréaux, verfasste zwölf Satires in Versen (begonnen 1660), in denen er den Verfall der öffentlichen und privaten Sitten beklagte.
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18. JAHRHUNDERT |
Mit Beginn der Aufklärung setzte eine Blüte der Satire ein, zunächst in England, dessen Autoren besonders starken Nachhall in Deutschland fanden. Ein Klassiker der Gattung wurde John Gays Beggar’s Opera (1728, Die Bettleroper), die später als Modell für Die Dreigroschenoper (1928) von Bertolt Brecht und Kurt Weill diente. Zu den profiliertesten Köpfen zählten ferner der Dichter Alexander Pope, der Essayist Joseph Addison, der Romancier Henry Fielding, die Schriftsteller Jane Austen und Tobias George Smollett sowie der Ire Jonathan Swift. Swift war der bissigste und pessimistischste und kleidete seine Satiren zudem in die originellste Form. Seine berühmten Geschichten von Travels into several remote Nations of the World. By Lemuel Gulliver (4 Teile, 1726, Gullivers Reisen) gerieten später fälschlich unter das Etikett der Jugendliteratur, sie waren indessen schonungslose Anklagen gegen aktuelle politische Verhältnisse und allgemeine Konditionen der menschlichen Natur. Swifts Zynismus tritt noch deutlicher in A modest proposal for preventing the Children of poor People from being an burden to their parents or country (Ein bescheidener Vorschlag, wie man die Kinder der Armen daran hindern kann, ihren Eltern oder dem Lande zur Last zu fallen) zutage, wo er vorschlägt, die Ernährungsprobleme der Armen durch gezielten Kannibalismus zu lösen. Freimütige Attacken auf gesellschaftliche Verhältnisse oder hoch gestellte Personen riefen häufig die Zensur auf den Plan. Ein bekanntes Beispiel ist der Eklat um den satirischen Roman Candide des französischen Schriftstellers und Philosophen Voltaire (1759, anonym). Voltaires radikale Kritik an den religiösen und sozialen Prinzipien seiner Epoche wurde lebhaft und kontrovers diskutiert und zeitweise auf den Index gesetzt. Der markanteste Kopf unter den deutschen Satirikern der Aufklärung war der Göttinger Naturforscher und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg. In dem von ihm herausgegebenen Göttinger Taschen Calender (1778-1799) und anderswo wandte er sich in sprachlich geschliffenen Attacken gegen soziale Missstände und literarische Zeitmoden. Lichtenberg war zudem ein Meister des Aphorismus, was seine (erst posthum publizierten) Tagebücher beweisen. 1796 veröffentlichten Schiller und Goethe ihre gemeinsam verfassten Xenien, wo sie sich, angelehnt an das Vorbild Martials, in scharf pointierten Epigrammen mit der zeitgenössischen Literatur auseinander setzten. Bedingt durch die um 1800 aufblühende Lesekultur gewann die Literatursatire in Deutschland fortan zunehmend an Bedeutung.
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19. JAHRHUNDERT |
Im anglophonen Sprachraum verliert die Satire während des 19. Jahrhunderts an Gewicht, bringt aber nach wie vor Meister der Gattung hervor, wie die Amerikaner Mark Twain und Ambrose Bierce und die Engländer Charles Dickens und William Makepeace Thackeray, die die viktorianischen Gesellschaftsnormen in teils scharfzüngigen Kommentaren verurteilen. In Deutschland erlebt die Gesellschafts- und Literatursatire eine Blütezeit, angefangen bei den Romanen Jean Pauls oder Wilhelm Hauffs Mittheilungen aus den Memoiren des Satan (1826/27) bis zu den zahlreichen satirischen Schriften Heinrich Heines (1830/31, Die Bäder von Lucca; 1843, Atta Troll). Die Verssatire Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) rechnete mit den hiesigen politischen Verhältnissen aus der Sicht des Exilanten ab und führte die Gattung auf ein neues gedankliches und stilistisches Niveau. Auch Joseph von Eichendorff lieferte wichtige Beiträge zur so genannten Philister-Satire. Mit den Zeitschriften Kladderadatsch (1848ff.) und Simplicissimus (1896ff.) bildeten sich neue Foren einer vorwiegend politisch-witzig ausgerichteten Agitation. An der Wende zum 20. Jahrhundert setzen die Salon- und Gesellschaftskomödien von Oscar Wilde und George Bernard Shaw neue Akzente in unterschiedlicher Weise. Wilde machte sich in virtuosen Sprachspielen über die Verlogenheit sozialer Konventionen lustig (Bunbury, or The Importance of Being Earnest, 1895, Bunbury oder Ernst sein ist alles), hinter Shaws Witz (Arms and the man, 1898, Helden) verbarg sich ein dringender Appell zur Verbesserung der Gesellschaft, was er insbesondere in den programmatischen Vorworten seiner Stücke zum Ausdruck brachte.
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20. JAHRHUNDERT |
Die moderne literarische Satire hat ihren Ursprung in den USA. Die technisierte Großstadtwelt und der Verhaltenskodex einer neuen Mittelklasse fanden einen sarkastischen, sprachlich innovativen Kommentator in Schriftstellern wie Sinclair Lewis (1922, Babbitt), der auch in Europa viel gelesen wurde. Evelyn Waugh ging vorrangig mit dem Lebensstil der oberen Zehntausend ins Gericht in Decline and Fall (1928, Auf der schiefen Ebene), A Handfull of Dust (1934, Eine Handvoll Staub) oder The Loved One (1948, Tod in Hollywood). Der Engländer Aldous Huxley wiederum beschritt mit seinem Bestseller Brave New World (1932, Schöne neue Welt) einen Weg zur zynischen Gesellschaftsutopie. Als Meister des satirischen Romans profilierte sich der russisch-amerikanische Schriftsteller Vladimir Nabokov (Pnin, 1957).
Zunehmende Bedeutung erlangte im 20. Jahrhundert die Kriegssatire, in der Romanreihe Abenteuer des braven Soldaten Schwejk (1920-1923) des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Hašek bis zur Groteske Catch-22 (1961) von Joseph Heller. Vor allem die Literatur der Sowjetunion bestätigte im Übrigen die Erfahrung, dass die Satire unter der Diktatur zwar mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen hat, andererseits gerade dort ein besonders fruchtbares Betätigungsfeld findet. Unerreicht blieb hier Michail Bulgakow mit Master i Margarita (entstanden 1940, veröffentlicht 1966/67; Der Meister und Margarita). John Updike und sein Landsmann Tom Wolfe zählen zu den renommiertesten englischsprachigen Satirikern der Gegenwart. Im deutschsprachigen Raum wurde die Gattung zur Jahrhundertwende von Christian Morgenstern, Gustav Meyrink, Heinrich Mann und Karl Kraus kultiviert und seit den zwanziger Jahren durch Mynona, Paul Scheerbart, Walter Serner, Robert Musil u. a. popularisiert. In der Nachkriegszeit blieb sie beispielsweise in den Werken von Günter Grass (1956, Die Blechtrommel) oder Friedrich Dürrenmatt und neuerdings von Robert Gernhardt oder Eckard Henscheid lebendig. Innerhalb der deutschen Belletristik blieb sie jedoch eher eine Randerscheinung. Satirische Zeitschriften wie Pardon oder Titanic spielen seit Kriegsende eine größere Rolle als die Satire in Buchform. Als geniales Duo präsentierten sich 1995 der Autor Axel Hacke und der Berliner Zeichner und Illustrator Michael Sowa mit Hackes Tierleben.
Schauerroman (englisch Gothic novel), Gattung des Unterhaltungsromans, dessen Handlung meist um unheimliche Ereignisse oder Verbrechen kreist, die bevorzugt in bestimmten architektonischen Szenarien (mittelalterliche, „gotische" Spukschlösser mit düsteren Verliesen, Geheimtreppen und unterirdischen Gängen) angesiedelt werden, und nach einem raffinierten Spannungsaufbau mit sich kontinuierlich steigernden Schauereffekten häufig eine natürliche Erklärung findet. Die Gattung erfreute sich vor allem in der englischen Literatur im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts großer Beliebtheit und fand besonders durch die Leihbibliotheken weite Verbreitung. Zu den bekanntesten Autoren gehören Horace Walpole (Schloss Otranto, 1764), Clara Reeve (The Champion of Virtue/Der alte englische Baron, 1777), Ann Radcliffe (Die Geheimnisse von Udolpho, 1794), Matthew Gregory Lewis (Ambrosio, or the Monk/Der Mönch, 1795) und nicht zuletzt Mary Wollstonecraft Shelley, die mit Frankenstein (1818) die Gattung der Horrorliteratur maßgeblich beeinflusste, in der dieses Genre in trivialisierter Form bis heute fortlebt. Auch der Detektiv- oder Kriminalroman geht in seiner Struktur auf den Schauerroman zurück. In der deutschen Literatur beeinflusste die Gattung besonders die phantastisch-grotesken Geschichten der „schwarzen" Romantik (E. T. A. Hoffmann).
Schauspiel, im Theater allgemein die Bezeichnung für Aufführungen von Dramen vor Publikum, gleichzeitig aber auch der Oberbegriff für alle Gattungen bzw. Untergattungen des Dramas und die Spartenbezeichnung für Sprechtheater im Bühnenbetrieb. Des Weiteren wird er für weniger streng gebaute Stücke verwendet, die sich einer Zuordnung zu konkreten Untergattungen wie Komödie, Tragödie oder Trauerspiel verweigern, wie etwa das Mysterienspiel oder das Volksstück. Beispiele für Schauspiel in diesem Sinn finden sich zwischen Aufklärung und Romantik zahlreich. Hierzu gehören Gotthold Ephraim Lessings „dramatisches Gedicht" Nathan der Weise (1779), Friedrich Schillers Wilhelm Tell (1804) und Heinrich von Kleists Prinz Friedrich von Homburg (1821). Der Begriff des Schauspiels lässt sich erstmals im 16. Jahrhundert für die Aufführung von Dramen nachweisen.
Verfasst von:
Gerhard Pollok
Schicksalsdrama, auch Schicksalstragödie, im Umfeld der Romantik entstandener Typus der Tragödie, bei dem ein bevorstehendes Unheil durch Zeichen, Ahnungen und Weissagungen als unabwendbar vorherbestimmt erscheint.
Im weitesten Sinn bezieht sich der Begriff auch allgemein auf Tragödienformen, deren Handlung durch den Konflikt des tragischen Helden mit einer seinem individuellen Streben überlegenen Macht bestimmt wird. Hierzu gehören beispielsweise antike Tragödien, in denen der Held durch ein religiös verstandenes Schicksal gebeugt wird. Im Gegensatz dazu liegt in der Aufklärung und der deutschen Klassik der Akzent auf der inneren Freiheit des tragischen Helden gegenüber dem Fatum. Zwar scheitert auch hier der Held gegenüber einer äußeren Macht, doch behauptet er seine Individualität noch in seinem Scheitern.
Die Konzeption des Schicksalsdramas im engeren Sinn entwickelte sich aus einer Kritik an der rationalistischen Utopie der Aufklärung, der zufolge alles in der Welt und der Geschichte dem Einzelnen Widerfahrene prinzipiell durchschaubar und beherrschbar sei. Durch Anlehnung an Schauereffekte einiger Prosatexte der Romantik wurde als extremer Gegensatz die Vorstellung eines unheimlich-dämonischen und unentrinnbaren Schicksals entworfen, das sich in literarischen Motiven wie Familienfluch, unheilsverkündende Weissagungen und Verwandtenmord konkretisierte. Die Logik der dramatischen Gestaltung stützte sich vor allem auf die effektvolle Verknüpfung zufälliger Umstände sowie auf Andeutungen der bevorstehenden Katastrophe in Träumen, Zeichen und Ähnlichem. Insgesamt ergab sich ein eher modisches Stimmungsbild des Schrecklichen, das mit dem griechischen Schicksalsgedanken kaum etwas gemeinsam hatte.
Zu den bedeutenderen Stücken des Schicksalsdramas gehört Heinrich von Kleists frühes Trauerspiel Die Familie Schroffenstein (1803), in dem der Konflikt, anders als in den meisten anderen Schicksalsdramen, nicht nur auf dem unaufhaltsamen Ablauf eines Verhängnisses beruht, sondern auf dem Problem der Deutbarkeit von Worten und Zeichen. Zu den bekanntesten Vertretern des Schicksalsdramas gehört Zacharias Werner (1768-1823), vor allem durch das Stück Der vierundzwanzigste Februar (Uraufführung 1809, erschienen 1815). Weitere, heute weitgehend in Vergessenheit geratene Verfasser waren Adolf Müllner (1774-1829), Ernst Christoph Freiherr von Houwald (1778-1845) und Ernst Raupach (1784-1852). Die überstrapazierte Vorstellung des unheilvollen Schicksals wurde schon bald auch Gegenstand der Satire, so beispielsweise in August von Platens Lustspiel Die verhängnisvolle Gabel (1826).
Verfasst von:
Dietmar Götsch
Schicksalstragödie, von Georg Gottfried Gervinus geprägter Begriff für einen Dramentyp der Romantik und des Biedermeier, bei dem die Handlung vom Konflikt des Protagonisten mit einem von außen hereinbrechenden, undurchschaubaren Schicksal bestimmt wird. Dieser Fatalismus unterscheidet die Schicksalstragödie, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Modegattung wurde, von der antiken Tragödie (etwa von Sophokles’ Oedipus rex) ebenso wie von der christlich-stoizistischen Barocktragödie oder dem bürgerlichen Trauerspiel der Aufklärung. Das Schicksal wird zum effektvoll-schaurigen Element einer Gebrauchsdramatik, das Spannung und Nervenkitzel erregt und zum menschlichen Lebens- und Geschichtsverständnis in keiner Weise beiträgt; der tragische Held wird durch den rührenden ersetzt. Als frühestes Werk dieses Genres gilt Ludwig Tiecks Trauerspiel Der Abschied (1792); weitere Beispiele sind Franz Grillparzers Die Ahnfrau (1816), Zacharias Werners Der 24. Februar (1809), Adolf Müllners Die Schuld (1812), Ernst von Houwalds Die Heimkehr (1821) sowie Ernst Raupachs Der Müller und sein Kind (1835). Schon früh wurde die Schicksalstragödie parodiert, so mit Ignaz Franz Castellis Der Schicksalsstrumpf (1818) oder August Graf von Platens Die verhängnisvolle Gabel (1826).
Verfasst von:
Cornelia Fischer
Semper, Gottfried (1803-1879), deutscher Baumeister und Kunsttheoretiker. Semper wurde in Hamburg geboren und studierte in Göttingen, München und Paris. 1830 bis 1833 hielt er sich zu Antikenstudien in Italien und Griechenland auf. 1834 bis 1849 war er Professor für Baukunst in Dresden, 1855 bis 1870 am Polytechnikum in Zürich. 1870 wurde er als Sachverständiger für den Ausbau der Hofburg nach Wien berufen. Semper gilt nach Karl Friedrich Schinkel als der bedeutendste deutsche Architekt des 19. Jahrhunderts. Er wandte sich vom klassizistischen Ideal der Antikenrezeption ab und orientierte sich als Vertreter des Historismus an den Formen der italienischen Renaissance. In Dresden errichtete er das Opernhaus (1838-1841) und die Gemäldegalerie (ab 1847) und entwarf den Neubau der Synagoge. In der Schweiz entwarf er das Stadthaus in Winterthur (1865-1869), das Polytechnikum und die Sternwarte in Zürich (1858-1864). Während seiner Wiener Zeit war Semper an den Plänen für den Ausbau der Hofburg, das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum sowie für das Burgtheater beteiligt. Diese Bauten wurden nach seinem Tod 1879 von Carl von Hasenauer verwirklicht. Einflussreich war Sempers zweibändige Schrift Der Stil in den technischen und architectonischen Künsten (1860-1863).
Verfasst von:
Martina Fiess
Serapionsbrüder, Name eines Dichterkreises der Berliner Romantik um E. T. A. Hoffmann, der sich von 1814 bis 1818 in Hoffmanns Wohnung traf und zu dem die Schriftsteller Julius Eduard Hitzig, Johannes Ferdinand Koreff und C. W. Salice-Contessa, zeitweilig auch Adelbert von Chamisso und Friedrich de la Motte-Fouqué gehörten. Die wöchentlichen Zusammenkünfte wurden nach dem ägyptischen Anachoreten Serapion Sindonita benannt, dem Kalenderheiligen des Tages, an dem Chamisso von einer Weltreise zurückkehrte. In der Rahmenhandlung des gleichnamigen Novellenzyklus Hoffmanns ist der Dichterkreis verschlüsselt nachgebildet.
Nach dem Berliner Vorbild benannte sich eine im Februar 1921 in Petrograd gegründete Gruppe junger sowjetischer Schriftsteller (Serapionowy bratja), die programmatisch eine von ideologischen und politischen Dogmen befreite Dichtung forderte. Maßgeblich in ästhetischen Fragen war Jewgeni Samjatin, dessen ornamentale Prosa mit ihrem realistischen, zugleich phantastischen Erzählstil auf viele zeitgenössische sowjetische Autoren wirkte. Mitglieder dieses größten nonkonformistisch-experimentellen Dichterkreises innerhalb der russischen Literatur der jungen Sowjetunion waren die Romanciers Konstantin Fedin, Wsewolod Iwanow, Weniamin Kawerin, Michail Soschtschenko und Nikolai Nikilin sowie der Lyriker Nikolai Tichonow. Auch Wiktor Schklowskij gehörte dem Zirkel an und beeinflusste mit seiner Prosatheorie dessen Schaffen. Er wurde nach wenigen Jahren unter der Obhut Maksim Gorkijs von der offiziellen Politik der Kulturoberen erdrückt.
Verfasst von:
Cornelia Fischer
Singspiel, Bühnenstück mit Text und Gesang, das eine Mittelstellung zwischen Lustspiel und Oper einnimmt. Je nach Umfang und Bedeutung, den Musik und Gesang gegenüber gesprochenen Dialogen einnehmen, kann das Singspiel der Oper oder dem Lustspiel näher stehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging aus populären Formen des Singspiels die Operette hervor.
Vorläufer des Singspiels waren Schauspiele mit volkstümlichen Liedern, etwa der römische Mimus sowie die geistlichen und weltlichen Festspiele des Mittelalters. In Deutschland entstand das Singspiel im engeren Sinn allerdings erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Seine wichtigsten Anregungen verdankt es der aus Italien stammenden opera buffa, der englischen Ballad opera und dem französischen Vaudeville. Zu den literarisch bedeutsamsten Werken des Genres gehören Johann Wolfgang von Goethes Erwin und Elmire (1775) und Claudine von Villa Bella (1776). In musikalischer Hinsicht treten insbesondere Wolfgang Amadeus Mozarts Die Entführung aus dem Serail (1782) und Die Zauberflöte (1791) hervor, die sich allerdings von der Oper nicht scharf abgrenzen lassen.
Stadion, Johann Philipp Graf von
Stadion, Johann Philipp Graf von (1763-1824), österreichischer Staatsmann. Stadion wurde am 18. Juni 1763 in Mainz geboren. Nach seinem Studium in Göttingen trat er 1787 in den österreichischen diplomatischen Dienst ein und erhielt zunächst den Posten des Gesandten in Stockholm, wo er den Frieden zwischen Schweden und Russland vermittelte. Als österreichischer Gesandter in London (1790-1793), Berlin (1801-1803) und Sankt Petersburg trug er maßgeblich zum Zustandekommen der Koalition gegen das revolutionäre bzw. napoleonische Frankreich bei (siehe Koalitionskriege). Nach der russisch-österreichischen Niederlage in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz und dem Frieden von Preßburg 1805 zum Außenminister berufen, strebte Stadion eine gemeinsame deutsch-österreichische Erhebung gegen Napoleon an. Basis der Erhebung sollte ein Volksheer sein, das durch innere, liberale Reformen für den Kampf gegen Napoleon mobilisiert und begeistert werden sollte. Nach der österreichischen Niederlage gegen Napoleon 1809 (siehe Napoleonische Kriege) wurde Stadion als Außenminister von Metternich abgelöst. 1816 zum Finanzminister berufen, konnte sich Stadion mit seinen Reformplänen – mit Ausnahme einer Steuerreform – nicht gegen Metternich durchsetzen. Stadion starb am 15. Mai 1824 in Baden bei Wien.
Verfasst von:
Michael Sommer